Verbandwechsel aseptischer und septischer Wunden
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Auch zu diesem alltäglichen Thema bedarf es klarer Regeln mit fortlaufender Evaluation der Struktur- und Prozessqualität sowie der Erhebung der Surveillance. Es werden einrichtungsbezogene Verabredungen für das Vorgehen beim Wundmanagement sowie andere hygienerelevante Abmachungen benötigt. Qualitätsentwicklung ist das Motiv dieser Serie „Gut gemacht …“, die mit dem Thema „Verbandwechsel aseptischer und septischer Wunden“ beginnt.
Auszug aus:
Die Praxisanleitung
Ausgabe 01.2019
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Die notwendigen Qualitätsdimensionen gesundheitlicher Versorgung wurden zuerst 1966 vom Mediziner Arvedis Donabedian veröffentlicht. Sein Modell stellt den noch heute gültigen Rahmen zur qualitativen Untersuchung und Bewertung der Patientenversorgung dar [Donabedian 1966]. Danach sind zur Beurteilung relevanter Qualitätsmerkmale der Patientenversorgung drei Arten von Informationen notwendig, nämlich über Strukturen, Prozesse und Ergebnisse.
Struktur | Prozess | Ergebnis |
Rahmen, in dem die Patientenversorgung stattfindet (z. B. Gebäude, Mitarbeiter, Finanzierung, technische Ausstattung) | Maßnahmen und organisatorische Abläufe, aus denen die Patientenversorgung besteht (insbesondere Diagnostik, Therapie, Prävention) | Auswirkungen der Patientenversorgung auf die Gesundheit der Patienten, z. B. Zufriedenheit, Änderung des Gesundheitszustands, Komplikationen, Tod |
Darstellung des Qualitätsmodells nach Donabedian 1966
Das Donabedian-Modell ist auch auf die Krankenhaushygiene anwendbar:
- Die Ergebnisqualität lässt sich entsprechend den in § 23 (3) des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) formulierten Aufgaben beurteilen. So muss die Rate der Infektionen, die in der Klinik erworben wurden (nosokomiale Infektionen = NI), ermittelt werden. Weiter müssen die Übertragungen multiresistenter Krankheitserreger (MRE) zwischen Patienten einer Einrichtung bestimmt werden. Instrument zur Beurteilung der Ergebnisqualität ist damit die in § 23 (4) IfSG geforderte Aufreichnung und Bewertung (Surveillance) von NI und MRE.
- Die Prozessqualität entspricht dem Ausmaß und der Zuverlässigkeit, mit denen Maßnahmen zum Erreichen der o.g. Ergebnisse umgesetzt werden. Von Bedeutung sind hier insbesondere Maßnahmen mit nachgewiesenem Effekt auf die Reduktion der NI-Entstehung und MRE-Verbreitung. Zur Prävention von MRE-Verbreitungen stehen die rationale Antibiotika Anwendung und die Basishygiene als evidenzbasierte Bestimmungen im Vordergrund. Solche evidenzbasierten Maßnahmen sollten sich besonders gegen die häufigsten NI richten, also gegen nosokomiale Sepsen, Pneumonien, Wund-, Harnwegs- und Clostridium-difficile-Infektionen. Da ein wichtiger Anteil postoperativer Wundinfektionen im Operationsgebiet (Surgical Site Infections = SSI) durch die Einhaltung von Hygieneregeln verhindert werden kann, muss sich jeder Mitarbeiter an seinem Platz um die Realisierung des Hygienemanagements bemühen. Fachspezifische Maßnahmen zur Prävention von SSI sind nur auf der Basis der Kenntnis ihrer Evidenz erfolgreich und nachhaltig realisierbar. Zur Implementierung bedarf es der fortlaufenden Schulung im Team, der kritischen Selbstkontrolle und der Erfolgsevaluierung mittels Surveillance nach IfSG.
- Zudem werden benötigt klinikbezogene Verabredungen für das Vorgehen beim Wundmanagement und andere hygienerelevante Verabredungen. Hausinterne Standards und Anweisungen, alle Dokumente, die Regelungen in einer Gesundheitseinrichtung spiegeln, sind Vorgabedokumente (siehe Tabelle). Sie beschreiben die Arbeitsabläufe, sie definieren, wer für bestimmte Arbeitsschritte verantwortlich ist, und weisen hin auf gern vergessene Details, wie z. B. die Absprachen zum Verbandwechsel.
- Die Strukturqualität einer Klinik kann anhand der baulichen, personellen, finanziellen etc. Strukturen beurteilt werden, die die Durchführung der o.g. Prozesse und damit das Erreichen dieser Ergebnisse ermöglichen und erleichtern. Für die Qualitätsbeurteilung sind insbesondere solche Strukturen von Bedeutung, die einen nachgewiesenen Effekt auf die Prozess- und Ergebnisqualität haben. Sie sind nachgewiesen, z. B. für die Mitarbeiterausstattung und deren fachliche Qualifikation.
Bezeichnung | Gängige Abkürzung |
Standard | |
Checklisten | CL |
Verfahrensanweisung | VA |
Standard Operation Procedure | SOP |
Arbeitsanweisung | AA |
Dienstanweisung | DA |
Leitlinie | |
Richtline | RL |
Prozessbeschreibung | |
Algorithmen | |
Dosierungstabelle | |
Leitfaden |
Gängige Bezeichnungen für Vorgabedokumente und übliche Abkürzungen
Bedeutung von SSI
In der Reihe nosokomialer Infektionen standen die SSI an deutschen Akutkrankenhäusern in 1995 noch an 3. Stelle mit ca. 16 %, nach den nosokomialen Pneumonien und Harnwegsinfektionen. Im Jahr 2011 wurden sie mit 24,7 % an erster Stelle gemessen (Zarb 2012). Ursache dafür sind keineswegs mangelndes Hygienebewusstsein oder ein Absinken der Hygienestandards.
Eher ist davon auszugehen, dass mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2011 die Infektionsprävention immer mehr den ihr zukommenden Stellenwert einnimmt. Folgende Ursachen dürften eher für die Zunahme der Infektionen in Betracht kommen:
- Versorgung zunehmend älterer Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr
- Eingriffe unter Anwendung moderner Operationstechniken u. a. interventionelle (Diagnostik) Eingriffe fast aller medizinischer Fachgebiete, die früher noch nicht möglich waren
Ausbreitung von MRE mit der damit verbundenen fehlenden Effektivität der perioperativen Antibiotikaprophylaxe (PAP), sofern das Vorkommen des MRE nicht bekannt ist.
Risikofaktoren für das Entstehen von SSI
Einen Überblick über Einflussmöglichkeiten zur Herabsetzung des Infektionsrisikos bei orthopädischen und viszeral-chirurgischen Eingriffen gibt die Tabelle. Diese der Vorbeugung dienenden Hinweise basieren auf KRINKO-Empfehlungen [Hansis 2000; Hansis 2016; Oldhafer 2007] sowie praktischen Erfahrungen.
Ausdrücklich gehört also das Hygienemanagement beim Verbandwechsel aseptischer und septischer Wunden zu den Risikofaktoren für das Entstehen postoperativer Wundinfektionen.
Kontaminationsgrade von Wunden
In der Literatur werden je nach Ausmaß und Grad der Wundkontamination vier klassische Kontaminationsklassen unterschieden. Sie werden heute um weitere Faktoren ergänzt.
Saubere (=aspetische) Wunden
- keine oder unwesentliche physiologische mikrobielle Besiedlung sowie keine Entzündung oder Infektion im Operationsgebiet, weder der Respirations- noch Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt wurden eröffnet
- primärer Wundverschluss und, falls erforderlich, geschlossene Drainagen
- keine Kontamination des Operationsgebietes durch ortsständige Flora oder Infektion (es handelt sich z. B. um Schilddrüsen-, Herz-, Gelenk-Operationen)
Klinisch saubere, aber kontaminierte Wunde (= nach bedingt aseptischen Eingriffen)
- frisch traumatisierte Wunde
- operationsbedingte Eröffnung eines Hohlraumsystems, wie Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltraktes unter kontrollierten Bedingungen ohne ungewöhnliche Kontamination
- Kontamination des Operationsgebietes mit wenig virulenter Flora in mäßiger Keimzahl (z. B. Oropharynx-, Gallenwegs-, Vaginal-Operation)
Kontaminierte Wunde
- operationsbedingte Eröffnung eines Hohlraumsystems mit Keimaussaat, z. B. Darmeröffnung
- offene Fraktur mit erheblichem Keimeintrag
- Biss-, Schuss-, Quetschwunden
- offene, frische Verletzungswunde
Zeitpunkt | Risikofaktoren |
Präoperativ | ASA-Score I > 2 (American Society of Anesthesiologists), verlängerter präoperativer Krankenhausaufenthalt, hohes Lebensalter, Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus mit Hyperglykämie > 200 mg/dl, Dialyse, Lebererkrankung, Cholestase, COPD, Gefäßerkrankungen, Infektion anderer Lokalisation, Infektionen / Kolonisationen mit MRE, nasale Kolonisation mit S. aureus / Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA), Mangelernährung / reduzierter Allgemeinzustand insbesondere geriatrischer Patienten, Adipositas mit BMI > 30 kg/m2, VitaminC-Mangel, Rauchen, Alkoholabusus, maligne Grunderkrankung abhängig vom Tumorstadium, Vorbestrahlung, Anämie, Granulozytopenie < 1.500/μl, Blutplättchen > 400,000/μl, Blutgerinnungsstörung |
Perioperativ | Unsachgemäße OP-Feldvorbereitung (Antiseptik, Haarentfernung, Abdeckung) und chirurgische Händedesinfektion, nicht korrekte perioperative Antibiotikaprophylaxe Dauer der Operation (das Expositionsrisiko für Keime steigt, Möglichkeit der Gewebetraumatisierung ist größer wegen der länge notwendigen Manipulationen am Gewebe Gewebsschädigung durch Austrocknung) Hypothermie, Hypoxie, bakterienpermeable Schutzkleidung, Handschuhperforation respiratorische Infektion des OP-Teams Erfahrung des Operateurs, Fremdkörperimplantation (bei im OP-Situs verbleibendem Fremdmaterial reichen auch geringe Keimzahlen für eine Infektion) |
Eingriffsspezifisch | Dauer, Anzahl, Umfang und Art des Eingriffs (z. B. Notfallvs. Elektiveingriff, Kontaminationsgrad, Rezidiveingriff), OP-Technik einschließlich Blutstillung, Implantat |
Postoperativ | Schmerz, unsachgemäße postoperative Wundversorgung, verzögerte enterale Ernährung, antibiotische Behandlung > 1 d postoperativ, postoperative invasive Maßnahmen, die mit Bakteriämie einhergehen, Unterkühlung, Dränage (potenziell erhöhtes Kontaminationsrisiko des OP-Gebietes, jedenfalls in Studien nie geringeres Infektionsrisiko bei Verwendung von Dränagen, deshalb restriktiver Einsatz gerechtfertigt) |
Risikofaktoren für das Entstehen postoperativer Wundinfektionen [mod. n. Kappstein 2008; Kramer 2016a; Sitzmann 2012]
Massiv kontaminierte oder infizierte Wunde (= nach septischem Eingriff)
- verzögerte Versorgung, z. B. alte Verletzungswunde
- Eröffnung von Abszessen
- Wunde nach fäkaler Kontamination, z. B. nach Darmperforation
- Vorliegen manifester Infektion oder nach Operation bei Patienten, die mit multi-resistenten Keimen (MRSA, VRE) besiedelt oder infiziert sind
Mikrobiologischer Zustand einer Wunde
Zwischen Mikroorganismen und Wunden besteht eine Wechselbeziehung, sie reicht von einer Kontamination bis hin zu einer ausgeprägten Infektion (siehe Tabelle).
Begriff | Erläuterung |
Kontamination | Mikroorganismen befinden sich in der Wunde, vermehren sich jedoch (evtl. noch) nicht. |
Kolonisation | Besiedlung; Mikroorganismen vermehren sich in der Wunde, es erfolgt aber keine immunologische und klinische Reaktion des Menschen. |
Infektion | Ablagerung und Vermehrung von Mikroorganismen im Gewebe mit entsprechender immunologischer und klinischer Reaktion des Menschen |
Wundheilung
Die meisten postoperativen Infektionen im Operationsgebiet bei primärem Wundverschluss werden während des Eingriffs erworben. In dieser Phase ist das Kontaminationsrisiko der Wunde – ob aus endogenem oder exogenem Reservoir – am größten. Die Wundheilung kann primär oder sekundär erfolgen:
Primäre Wundheilung (Heilung per primam intentionem)
Während der primären Wundheilung verschließt sich die Wunde durch direktes Aneinanderlagern, Verwachsen und Vernarben der glatten Wundränder. Sie verschmelzen mit minimalem Aufwand an Neubildung von Gewebe. Die Heilung wird nicht durch Entzündung oder Wundsekretion verzögert.
Sekundäre Wundheilung (Heilung per secundam intentionem)
Sekundär heilt eine Wunde, wenn sich eine meist infizierte Wunde aufgrund einer Wundheilungsstörung nur zeitlich verzögert und schrittweise verschließt. Nach Bildung von Granulationsgewebe im Wundgrund und Epithelisierung vom Wundrand her neigt die Wunde zur starken Narbenbildung (Kontraktion). Eine primär verschlossene Wunde ohne Drainage gilt nach ca. 48 h als verschlossen und nicht mehr kontaminationsgefährdet. Damit benötigt eine primär heilende Wunde 48.
Stunden nach Entfernung des im OP-Saal angelegten Verbandes keinen weiteren Verband. Alle anderen Wundverbände müssen von erfahrenen Pflegenden ausgeführt und von einem kundigen Arzt begleitet werden.
Verbandswechsel
Sind primär heilende, durch Naht verschlossene Wunden verhältnismäßig einfach zu versorgen, bestehen sehr viel höhere fachliche Anforderungen an den Ausführenden bei sekundär heilenden, akuten und chronischen Wunden.
Bei dieser therapeutischen Maßnahme werden alle Wundheilungsphasen beeinflusst. Um eine umfassende Wundversorgung gewährleisten zu können und die Situation in Bezug auf die Wunde bzw. die Wundbehandlung sicher einschätzen zu können, müssen im Vorfeld der Behandlung eine Reihe von Fragen berücksichtigt werden (eine entsprechende Checkliste finden Sie bei den Arbeitshilfen).
Pflegende oder Arzt?
Meist wird der erste postoperative Verband durch den behandelnden Arzt entfernt oder gewechselt.
Aus hygienischer Sicht ist der erste Verbandwechsel einer primär verschlossenen Wunde frühestens nach etwa 48 h sinnvoll, sofern Komplikationen (Sekretion, Schmerzen, Blutung in Verband) keinen früheren Verbandwechsel erfordern.
Kürzere Zeitspannen erhöhen das Risiko der Verletzung des Fibrinnetzes. Selbstverständlich werden durchgeblutete oder feucht gewordene Wundabdeckungen sofort gewechselt. Die weiteren aseptischen Verbandwechsel führen dann Pflegende aus.
Beachte: Es gelten auch für Verbandwechsel die Grundsätze verantwortlicher Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Pflegende:
- Dem Arzt ist die Anordnung von Verbandwechseln vorbehalten, sie ist schriftlich zu dokumentieren (Anordnungsverantwortung).
- Der Arzt darf nur speziell für die zu übernehmende Aufgabe qualifizierte Pflegende beauftragen (Auswahlpflicht).
- Der Patient ist aufgeklärt.
Ein gezieltes Wundmanagement kann nur aufgrund einer umfassenden Anamnese (Wundbeurteilung) erstellt werden. Ein derartiges qualitäts- und kostenorientiertes Wundmanagement bedeutet zuerst, althergebrachte und eingespielte pflegerische Maßnahmen („Das haben wir immer so gemacht“) auf ihren Nutzen und ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
Darüber hinaus erfordern der Verlauf der Wundheilung und die Beurteilung der Wundversorgung sowie die Koordination bei einem häufig wechselnden Arzt- und Pflegeteam eine sorgfältige schriftliche Aufzeichnung und kontinuierliche Dokumentation. Bei Veränderung der Wundverhältnisse muss der Arzt informiert werden.
Non-Touch-Technik
Empfehlenswert ist beim Verbandwechsel die Non-Touch-Technik (engl. no touch, nicht berühren), d. h. zum Abnehmen des Verbandes werden (unsterile) Einmalhandschuhe und zur Versorgung der Wunde sowie zum Auflegen der ersten Verbandslage sterile Handschuhe bzw. Instrumente verwendet (keine Berührung von Haut, Wunde oder sterilen Gegenständen mit bloßen Händen oder unsterilen Instrumenten).
Auch sollte unbedingt vermieden werden, mit kontaminierten Handschuhen Gegenstände wie Flaschen, Tuben, Arbeitsflächen des Verbandwagens usw. zu berühren.
Bei primär heilenden Operationswunden sind Verbandwechsel nicht mehr erforderlich, wenn der am Ende der Operation gelegte Verband 48 Stunden danach entfernt wird. Manche Patienten möchten jedoch keine offene Wundbehandlung; ihnen kann mit einem Pflaster über die Naht geholfen werden.
Jede Wunde jedoch, die, obwohl primär verschlossen, nicht an jeder Stelle primär verheilt, und alle Wunden, die bis zu einem sekundären Verschluss offen gelassen werden, benötigen einen Verband, um das Wundsekret aufzufangen.
Nach Möglichkeit soll beim Verbandwechsel zu zweit gearbeitet werden, weil dadurch das aseptische Arbeiten erleichtert wird.
Verbandwagen
Unabhängig davon, ob Wunden infiziert sind oder nicht, soll der Verbandwagen nicht mit zum Patienten genommen werden. Auch wenn der Platz im Zimmer des Patienten oft knapp ist, kann der Auszug des Nachttisches als geeignete Ablagefläche für das auf einem desinfizierten Tablett platzierte notwendige Material genutzt werden.
Die Gefahr einer Flächenkontamination des Verbandwagens und seiner darauf gelagerten Materialien ist insbesondere bei einem Verbandwechsel durch eine einzelne Person erheblich. Keinesfalls ist es sinnvoll, zwei verschiedene Verbandwagen für aseptische und septische Wunden vorzuhalten.
Patienten mit aseptischen und septischen Wunden
Eine stationäre Betreuung von Patienten mit aseptischen und septischen Wunden auf einer gemeinsamen Station bedarf besonderer hygienischer Maßnahmen, um Kreuzkontaminationen vorzubeugen.
Grundsätzlich bedarf es aber keiner eigenen septischen Station; es ist durchaus möglich, Patienten mit septischen und aseptischen Wunden auf einer Station zu betreuen. Zu beachten ist jedoch, Patienten nach den Wundkontaminationsgraden getrennt in verschiedenen Zimmern unterzubringen.
Obwohl eine Weiterverbreitung von Infektionen im Wesentlichen über die Hände der Mitarbeiter geschieht, fördert das Nutzen eines Verbandwagens im Patientenzimmer Kreuzkontaminationen. Dieser Übertragungsweg ist nur durch eine Maßnahme sicher zu verhindern: die korrekt durchgeführte Händedesinfektion. Hilfreich ist zudem das Tablettsystem.
Bei Patienten mit septischen Wunden muss täglich die gezielte Desinfektion von patientennahen Flächen (Nachttisch, Bettplatz, Waschbecken, WC usw.) und Fußboden gewährleistet sein. Verbunden mit korrekter Händehygiene kann damit das Risiko von Kreuzkontaminationen minimiert werden.
Dies zeigt deutlich, dass einerseits der korrekten Durchführung der Basishygiene und andererseits dem Sich bewusst sein, welche Übertragungswege es gibt, eine besondere Bedeutung zukommt.
Erforderliches Material
Aus dem Vorratsschrank oder Verbandwagen wird das notwendige Material auf einem Tablett bereitgelegt. Das Material variiert je nach praktizierter fachgerechter Vorgehensweise:
Sterile Materialien (einzeln verpackt)
- evtl. Einmalhandschuhe
- evtl. Abdecktuch
- anatomische und chirurgische Pinzetten zur Verbandabnahme, zum Débridement, zur Wundreinigung, zur Auflage des sterilen Verbands
- evtl. scharfer Löffel oder Skalpell zum Débridement und zur Wundrandauffrischung
- evtl. Wundantiseptika (beachte streng die Indikation!)
- Spritzen und Ringer-Spüllösung
- evtl. Knopfkanüle und Sonden zum Sondieren der Wundtiefe und zum Spülen, Tupfer, Kompressen, evtl. salbenhaltige Gaze
- Schere
- Klemme
- evtl. Material zur Faden- oder Klammerentfernung
Unsterile Materialien
- Schutzschürze
- Händedesinfektionsmittel
- Einmalhandschuhe
- Abwurfbeutel
- desinfiziertes Tablett zum Transport der Materialien
- Mund-, Nasen- und Haarschutz bei großflächigen Wunden bzw. besonderer Infektiosität
- Fixiermaterial wie Pflaster, Vliese, Binden, Netz- oder Schlauchverbände
- Verbandschere
Organisation des Verbandwechsels
Strikt ist darauf zu achten, dass zuerst aseptische Wunden versorgt werden. Die jeweilige Ausführung muss so erfolgen, dass keine Keimübertragung stattfindet. Dabei sind das Tablettsystem und eine sorgfältige Händehygiene hilfreich.
Das Tablett oder einzelne Materialien dürfen nicht auf dem Bett des Patienten abgelegt werden, ggf. kann der Nachttisch-Auszug benutzt werden.
Um die Gegenstände zweckmäßig zu platzieren, sollte Folgendes beachtet werden:
- Arbeitsfläche (Tablett, ausgepacktes Set, Nachttisch-Auszug) so vorbereiten, dass die Materialien beim Verbandwechsel neben und nicht hinter einem stehen (Arbeitserleichterung / Arbeitsorganisation).
- Entsorgungsbeutel patientennah, evtl. am Nachttisch-Auszug, festkleben.
- Nichtsteriles Material patientennah vorbereiten (Flaschen, Tuben, geschlossene Sets, Heftpflaster usw.).
- Steriles Material patientenfern anordnen: Damit lässt sich das „Übergreifen“ über sterile Materialien (z. B. beim Abwerfen gebrauchter Verbandstoffe) vermeiden.
- Benutzte Instrumente in Container für die Trockenentsorgung (zur maschinellen desinfizierenden Aufbereitung) oder in Desinfektionslösung ablegen.
Welche hygienischen Schutzmaßnahmen sind zu treffen? Alle mit dem Patienten beim Verbandwechsel direkt in Kontakt kommenden Mitarbeiter müssen darauf achten, dass sie
- vor und nach dem Verbandwechsel sowie bei Handschuhwechsel eine hygienische Händedesinfektion durchführen,
- eine Schutzschürze und kurzärmelige Kleidung tragen (auch Ärzte!),
- die Arbeitsfläche wischdesinfizieren (z. B. 70 % Alkohol und Einmaltuch),
- sterile oder unsterile (zur Verbandabnahme) Schutzhandschuhe wählen,
- größere Verbände außerhalb der Routinevisite mit eigenem Schutzkittel oder Schutzschürze durchführen,
- bei eigener Erkältungskrankheit einen Mund-Nasen-Schutz tragen und
- Sterilität der Materialien bei der Durchführung des Verbandwechsels gewährleisten.
Darauf muss in der Patientenumgebung geachtet werden
Während eines Verbandwechsels sollten im Zimmer
- keine Reinigungs- oder Bettenarbeiten durchgeführt werden, bei denen es zu Staub- und Keimaufwirbelungen kommt,
- keine unbefugten Besucher im Patientenzimmer sein, denn der persönliche Schutz und die Intimität des Patienten müssen gewahrt bleiben (Bettvorhang oder Stellwand). Selbstverständlich sind mitversorgende Angehörige willkommen!
- alle Fenster und Türen geschlossen bleiben und
- genügend Platz und eine gute Beleuchtung gewährleistet sind.
Wie muss der Patient vorbereitet werden?
Vor dem Verbandwechsel sollte der Patient ausführlich informiert werden über Zweck und Vorgehen. Erklärungen helfen, dass er seine Hände nicht in den Handlungsbereich der Wunde bringt (z. B. bei schmerzhaften Tätigkeiten).
Falls notwendig, erhält der Patient ca. 20 Minuten vor dem Verbandwechsel ein Schmerzmittel nach ärztlicher Anordnung (z. B. beim Ziehen eines T-Drains oder einer Tamponade).
Für den Verbandwechsel muss er bequem und zweckmäßig gelagert werden. Darüber hinaus sollte ausreichend Zeit sein für evtl. Fragen des Patienten. Nach Abnahme des Verbandes sollte man nicht mehr über der Wunde sprechen, damit keine Keime in die Wunde gelangen.
Durchführung
Die trockene Wundabdeckung wird folgendermaßen durchgeführt:
- Hände desinfizieren und unsterile Einmalhandschuhe anziehen
- alten Verband lösen
- direkte Wundauflage / Kompresse vorsichtig mit steriler Pinzette entfernen
- Zustand der Wunde einschätzen, beurteilen und Verband auf Sekretabsonderungen inspizieren
- benutztes Material sofort in den Abwurfbeutel abwerfen
- unsterile Handschuhe ausziehen und abwerfen
- Händedesinfektion vornehmen
- Überlegung, ob Folgeverband erforderlich / gewünscht
- mit steriler Pinzette oder sterilen Handschuhen weiter vorgehen
- evtl. die Wunde von innen nach außen mit einem sterilen Tupfer oder einem Watteträger mit Ringer-Spüllösung reinigen (eine routinemäßige Wundantiseptik ist bei primär heilenden Wunden nicht angebracht!)
- sterile Wundauflage aufbringen
- Verband mit Pflaster, Fixiervlies oder Mullbinde fixieren
- benutzte Materialien in den Abwurfbeutel abwerfen
- Patienten wieder in die gewünschte Lagerungsposition bringen und zudecken.
Komplikationen von Drainagen
Drainagen sind oft nutzbringend, bergen aber auch Risiken. Als Pflegender müssen Sie die Risiken kennen und diese durch Ihre konsequente Patientenbeobachtung und Ihr kompetentes Handeln reduzieren helfen. Hilfreich sind konkrete, schriftlich fixierte Überwachungskriterien.
Befürworter von Drainagen argumentieren mit der Signalfunktion des Drains bei Blutungen und Anastomoseninsuffizienzen. Auch sollen Drainagen Komplikationen wie Infektion und Peritonitis vermeiden helfen. Sie bezeichnen Drains daher als „postoperatives Auge“ oder „Spion des Chirurgen im Bauch“. Doch können auch (innere) Blutungskomplikationen existieren bei einer nicht oder gering fördernden Drainage!
Gegner der Drainage widersprechen dem, da Drainagen den oben genannten Funktionen nicht zuverlässig gerecht werden würden. Zudem verweist die Literatur darauf, dass die meiste ausfließende Flüssigkeit lediglich aus der Gewebsreaktion auf den Fremdkörper stamme. Zudem bestehe die Tendenz, dass in vielen Geweben die Drains innerhalb von sechs Stunden durch Fibrinablagerungen oder Blutkoagel abgedichtet seien (Kirk, 1997). Härle (1983) konnte zeigen, dass die maximale Förderleistung einer Wunddrainage bereits nach zwei Stunden zu 50 % und nach 24 Stunden zu 75 % erreicht war. Damit entfalle ihre ableitende Funktion.
Heute werden daher die Indikationen für Drainagen immer kritischer gestellt (Treutner, 2003). Zu den häufigsten Komplikationen gehören:
- aufsteigende Infektionen über den Drainageschlauch,
- Arrosionsblutungen und Verwachsungen (Adhäsionen).
Aufsteigende Infektionen
Alle Drains, die durch die äußere Haut in den Körper geführt werden, stellen eine Eintrittsmöglichkeit für Mikroorganismen dar, können eine bakterielle Kontamination fördern und zur Infektion führen. Entweder steigen die Mikroben durch das Schlauchlumen oder entlang der Außenwand des Drains auf.
Merke: Da jede Drainage einen Fremdkörper darstellt, führt sie zur Reizsekretion der Wunde. Wegen der Gefahr aufsteigender Infektionen gilt: Drainagen sind so lange wie nötig und so kurz wie möglich anzuwenden.
Arrosionsblutungen und Verwachsungen
Das starre Ende des Schlauches kann das umgebende Weichteilgewebe mechanisch schädigen (= arrodieren). Werden dabei Blutgefäße verletzt, können gefährliche Blutungen Folge sein.
Verwachsungen können als lokale Komplikation postoperativ entstehen, z. B. durch eingebrachtes Fremdkörpermaterial (Nahtmaterial, Drainagen) oder durch die angewandte Operationstechnik. Es handelt sich bei Verwachsungen um fibrinöse Verklebungen bauchfellüberzogener Eingeweide, die zum (Briden-)Ileus (Darmverschluss) führen können.
Weitere Komplikationen sind möglich durch Dislokationen (Lageänderung) und Allergien auf das eingelegte Material.
Probeentnahmen für mikrobiologische Diagnostik
Tupferabstriche enthalten oft zu wenig Material. Aussagekräftiger sind Gewebsbiopsien oder die Punktion von Sekreten. Steht nur wenig Sekret zur Verfügung, das Material nach Entfernen von evtl. Belägen (ohne eine Hautantiseptik) aus der Tiefe der Wunde entnehmen. Abstriche von Wundinfektionen enthalten eher Umgebungskeime, Eiter hingegen neben Leukozyten und eingeschmolzenem Gewebe v. a. die verursachenden Keime (Sitzmann, 2012).
Patientenempowerment – Patienten in die Infektionsprävention einbeziehen
Gezielte Aufklärung (als Patientenedukation, z. B. präoperativ mittels Merkblatt, digitaler Informationsmaterialien, Patientenvideo) zu hygienegerechtem Patientenverhalten können wohl das persönliche Gespräch nicht ersetzen, aber ergänzen.
Das Einbeziehen des Patienten und seiner Angehörigen (Patientenempowerment) findet im Behandlungsprozess immer stärkere Beachtung. So eignet sich das Vorgehen beim Verbandwechsel sehr gut, um auch postoperativ mit dem Patienten in Kontakt zu bleiben.
Vor oder nach dem Verbandwechsel kann über den Zustand der Wunde und den Fortgang der Heilung gesprochen werden. Diese Kommunikation hilft den Patienten sehr, über eine unerwartet lange Phase der postoperativen Wundheilung hinwegzukommen. Zum andern ist es wichtig, den Selbstschutz des Patienten durch Vermittlung eines Grundwissens zum Infektionsschutz zu fördern (Reichardt/Gastmeier 2013). Selbst wenn Klinikmitarbeiter alle möglichen Präventionsmaßnahmen korrekt umsetzen, können Patienten und Angehörige durch falsches Hygieneverhalten diese Bemühungen durchkreuzen.
Jedenfalls beeinflusst das Einbeziehen des Patienten die Compliance des Behandlungsteams positiv. Allein durch die Frage nach dem Durchführen einer Händedesinfektion in vom Patienten nachvollziehbaren Situationen wie vor und nach einem Verbandwechsel stieg der Verbrauch an Händedesinfektionsmittel um 15–40 % (Kramer 2016a). Damit fühlt sich der Patient ernst genommen und durch das direkte Feedback wird eine zusätzliche Sicherheitsbarriere für die Infektionsprävention aufgebaut.
Fazit
Nachgewiesene Qualität, durch eine einzelne Institution, einrichtungs- oder sogar sektorenübergreifend erbracht, wirkt sich in Zukunft erlösrelevant aus. Das stärkt die Bedeutung und die Verbindlichkeit von Dokumenten des QM als wichtigem Steuerungsinstrument für innerbetriebliche Abläufe, wie z. B. das Hygienemanagement beim Verbandwechsel aseptischer und septischer Wunden.
Aktuell appelliert die WHO mit dem Aufruf: „Team work, good communication and staff engagement support ssi prevention” (Allegranzi 2016), d. h., Zusammenarbeit im Team, gute Kommunikation und Mitarbeiter-Motivation unterstützen SSI-Vorbeugung. Sie fordert zudem Patienten auf, Mitarbeiter der Kliniken nach dem Befolgen der allgemeingültigen Empfehlungen zu fragen.
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