Anleiten und Beurteilen

Pflegebasics: Lungenfibrose in der praktischen Anleitung

Text: Florian Schüler, Benedikt Schneider | Foto (Header): © Elena – stock.adobe.com, Foto Idiopathische Lungenfibrose (IPF): © tamatus_art – stock.adobe.com, Foto COPD: © Ivelin Radkov – stock.adobe.com

In der Intensivpflege habe ich es immer wieder mit Pflegeempfängerin/Pflegeempfänger nach Lungentransplantation zu tun. Der Weg nach der OP bis hin zu einem wieder normalen Leben ist stets beschwerlich. Manche müssen feststellen, dass es nicht so leicht ist, wie es nach außen manchmal bei dem bekannten Sänger Roland Kaiser erscheint. Und dennoch bekommen wir manchmal, Jahre nach der Transplantation, eine Karte von ehemaligen Patientinnen / Patienten und sie sind sehr dankbar über die Entscheidung zur Transplantation und den langen Weg, den sie gegangen sind. Einige davon hatten eine Lungenfibrose vorher.

Auszug aus:

Die Praxisanleitung
Ausgabe 04.2024
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Eine Lungenfibrose wird umgangssprachlich manchmal als „Narbenlunge“ bezeichnet. Die Vorstellung, dass die eigene Lunge aus Narben besteht und dementsprechend eine eingeschränkte Funktion hat, ist äußerst unschön und man kann sich sofort vorstellen, dass dies ein problematischer Zustand ist. Die Aufgabe dieses Artikels ist es, dass wir unsere Auszubildenden sensibilisieren wollen für die Einschränkungen im Alltag, welche mit der Diagnose einer Lungenfibrose einhergehen. Dabei ist es so, dass manche Betroffenen froh sind, wenn sie die Diagnose bekommen, weil sie dann endlich eine Diagnose haben. Denn meist beginnt alles sehr unklar, die Personen werden von Arztpraxis zu Arztpraxis geschickt und es herrscht viel Ungewissheit und Unsicherheit. Dass die Diagnose keinen wirklichen Weg zur Heilung mit sich bringt, verbessert die Lage jedoch meist nur kurz, es gibt allerdings spannende neue Forschungsansätze.

Wir werden zuerst einen allgemeinen Blick auf die Lunge werfen und nach dieser Wiederholung expliziter die Lungenfibrose erklären. Dazu werden wir auf die Einschränkungen im Alltag etc. eingehen und uns zum Schluss darüber Gedanken machen, wie wir unseren Auszubildenden das Thema näher bringen können.

Wiederholung Physiologie der Lunge:
Funktionen der Lunge:
– Aufnahme von Sauerstoff
– Abgabe von Kohlendioxid
– Filtern von Fremdstoffen und Krankheitserregern
– Immunabwehr

Vergrößerung des Thoraxvolumens

Ablauf der Atmung:
Die Atmung besteht aus Inspiration und Exspiration, welche sich gegenseitig bedingen.

Inspiration:
– das Diaphragma kontrahiert und senkt sich ab,
– die Musculi intercostales externi kontrahieren und vergrößern das Thoraxvolumen,
– ein Unterdruck entsteht in der Lunge durch die vorhergehenden Schritte,
– und Luft strömt in die Lunge ein,
– dies ist ein aktiver Vorgang.

Exspiration:
– das Diaphragma hebt sich und erschlafft dadurch,
– die Musculi intercostales externi erschlaffen ebenfalls,
– der Thorax zieht sich dadurch wieder zusammen,
– in der Lunge entsteht ein geringeres Volumen, ein Überdruck bildet sich,
– die Luft wird aus der Lunge gedrückt,
– dies ist ein passiver Vorgang.

Voraussetzungen für den Gasaustausch:
– kurzer Diffusionsweg,
– gute Ventilation (Lungenbelüftung),
– gute Perfusion (Lungendurchblutung),
– Partialdruckdifferenz zwischen Blut und Atemluft,
– genügend Kontaktzeit,
– geeignete Luftzusammensetzung.

Atemsteuerung:
– findet in der Medulla oblongata statt,
– dort liegen das Inspirations- und Exspirationszentrum, diese hemmen sich gegenseitig → daher können Ein- und Ausatmung nie gleichzeitig stattfinden,
– über das Rückenmark werden Nervenimpulse aktiviert → diese aktivieren die Atemmuskulatur,
– Dehnungsrezeptoren stoppen den Vorgang,
– dadurch wechselt das Atemteilzentrum und die Alveolen werden vor Schäden geschützt.

Atemkontrolle:
Die Kontrolle des Atems wird von zwei unterschiedlichen Kategorien bestimmt.

Chemische Atemkontrolle:
– durch Chemorezeptoren (hauptsächlich in Aortenbogen und Medulla oblongata) → diese reagieren, wenn der CO₂-Gehalt hoch ist,
– sobald der CO₂-Gehalt (auch CO₂-Partialdruck genannt) zu hoch ist, lösen die Chemorezeptoren einen Atemzug aus, damit das CO₂ abgeatmet werden kann → der CO₂-Partialdruck ist der stärkste Atemantrieb des Menschen,
– bei Menschen mit COPD ist er erniedrigt, weil das CO₂ chronisch erhöht ist,
– Rezeptoren, welche auf einen zu geringen Sauerstoffgehalt oder eine pH-Wert Verschiebung reagieren, haben eine untergeordnete Rolle.

Unspezifische Atemkontrolle:
– Schmerzen,
– körperliche Belastung,
– Hormone,
– Temperaturreize,
– psychovegetative Reize.

Stützendes Bindegewebe

Was ist eine Lungenfibrose?
– die Lunge kann in zwei Arten von Bereichen unterteilt werden. Zum einen in die Teile der Lunge, welche mit Luft gefüllt und entleert werden, und zum anderen in die Teile, die das stützende Bindegewebe bilden,
– zweitere werden als Interstinum bezeichnet (Lungenstützgewebe),
– erkrankt das Interstinum wird dies als interstitielle Lungenerkrankung bezeichnet,
– die Lungenfibrose ist eine chronische Form davon und kann durch eine Vielzahl an Ursachen hervorgerufen werden,
– das Bindegewebe (Interstinum) der Lunge muss elastisch sein, um die Lungenarbeit zu ermöglichen,
– aufgrund von Ursachen kann sich das Bindegewebe chronisch entzünden,
– ist das Bindegewebe der Lunge entzündet, verdickt es sich zuerst und vernarbt im Verlauf,
– dieser Vorgang heißt Fibrosierung,
– durch diese Verdickung kommt es zu zwei weitreichenden Folgen:
• die Lunge ist nicht mehr so elastisch und dehnbar, weshalb das Einatmen für die betroffene Person immer schwieriger wird und mit zunehmend mehr Kraftaufwand verbunden ist
• außerdem ist die Wand der Alveolen nun dicker als gewöhnlich, weshalb der Gasaustausch erschwert ist, da der Sauerstoff nicht mehr so leicht an die Gefäße des Lungenkapillarnetzes gelangt, das Blut wird also weniger mit Sauerstoff gesättigt
– das Endstadium der Lungenfibrose wird als Wabenlunge bezeichnet. Dabei ist die gesamte Lunge fibrotisch umgebaut.

Ursachen:
– es gibt viele Ursachen, welche eine chronische Entzündung des Lungenstützgewebes hervorrufen können und somit zu einem fibrotischen Umbau führen können
– dabei ist der Mechanismus bis jetzt nicht klar, welcher schlussendlich zum krankhaften Umbau führt
– vermutlich spielen eine erhöhte Aktivität von Fibroblasten und geschädigte Reparaturmechanismen eine Rolle
– die Ursachen werden in zwei Kategorien unterteilt:
• bekannte Ursachen wie z. B.
-> Einatmen von Schadstoffen wie Asbest
-> Infektionen z. B.: Sars-Cov-2
-> Systemerkrankungen wie rheumatoide Arthritis
-> dauerhafte Medikationen z. B. von Busulfan
-> Linksherzinsuffizienz und andere Herzerkrankungen, die zu Lungenhochdruck führen
-> Strahlungen durch vorhergehende Therapien
• unbekannte Ursachen, welche als idiopathische Lungenfibrosen bezeichnet werden

Symptome und Einschränkungen im Alltag:
– Dyspnoe (Atemnot)
– sinkende Belastbarkeit
– trockener Reizhusten
– Zyanose (Blaufärbung der Haut)
– Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel
– allgemeine Krankheitszeichen
– Gewichtsverlust
– Cor pulmonale (großer/verdickter rechter Ventrikel aufgrund von Lungenhochdruck)
– Aszitis
– Ödeme

Diagnostik:
– Röntgen Thorax
– CT
– Auskultation der Lunge
– Lungenfunktionstestung
– Lungenbiopsie während einer Bronchoskopie Therapie:
– das Ziel ist es, dass das Fortschreiten der Erkrankung so gering wie möglich gehalten wird,
– sollte es also eine auslösende Erkrankung geben, muss diese weitmöglichst therapiert werden bzw. der auslösende Faktor minimiert werden,
– Verzicht auf jegliches Rauchen,
– entzündungshemmende Medikamente,
– Immunsuppression,
– medikamentöse Unterbindung der Bildung von Fibroblasten,
– Impfungen zur Prophylaxe weiterer Lungenerkrankungen,
– Atemgymnastik,
– Sport im Rahmen des Möglichen,
– im Endstadium steht die Lungentransplantation.

Deep dive aktuelle Forschung:
– Forschende von mehreren Universitäten konnten ein Protein finden, welches Epithelzellen der Lunge umprogrammiert,
– ist dies geschehen, verlieren diese Zellen ihre Schutz- und Reparaturfunktion,
– wenn dieses Protein gestoppt werden könnte, wäre eine Lungenfibrose eventuell komplett zu stoppen in ihrem Verlauf.

Pflegebasics: Lungenfibrose in der praktischen Anleitung

Pflegerische Beobachtungspunkte in der Pulmologie:
– Atemfrequenz
– Atemexkursionen (Bewegung des Brustkorbs)
– Atemgeräusche
– Atemtiefe
– Atemtyp
– Atemgeruch
– Sputum (Sekret)
– Hautfarbe
– Körperhaltung bei der Atmung
– Pulsoxymetrie

Sport und Atemgymnastik

– Pflegerische Maßnahmen bei einer Lungenfibrose und Verbesserung der Symptome:
– Atemtraining mit Sauerstoffapplikation,
– Kontrolle der Sauerstoffsättigung,
– Verabreichen von Medikamenten,
– atemunterstützende Positionierungen,
– Unterstützung im Alltag je nach Bedarf und Belastbarkeitsgrenze,
– Lebensstilberatung, um auf Nikotin zu verzichten und stets ein optimales Körpergewicht zu haben,
– psychosoziale Begleitung.

Lungenfibrose in der praktischen Anleitung
An erster Stelle kann es sinnvoll sein, eine Sensibilisierung zu schaffen für einen Alltag mit Atemnot. Dazu können wir (immer mit Einwilligung der Auszubildenden) kreativ werden. Eine Möglichkeit können Sportübungen sein, bei welchen nur durch die Nase geatmet werden darf. Eine andere Idee ist es, dass wir die Simulation mit einem Röhrchen wie einem Strohhalm erzeugen können. Die Auszubildenden sollen einfach lediglich durch dieses Röhrchen ein- und ausatmen (auch abgelaufene, unbenutzte Magensonden, Thoraxdrainagen und Katheter eignen sich super). Dabei sollen sie einfach normale Tätigkeiten durchführen und werden sehr schnell merken, wie sie sehr schnell unter Luftnot leiden werden und es eine größere Atemanstrengung braucht, bis sie sich hinsetzen müssen und erstmal nur noch atmen werden. Dabei kann das Schwierigkeitslevel durch eine Bauchbandage erhöht werden, welche eine tiefe Einatmung erschwert bzw. verhindert.

Danach können wir mit einem ersten Gefühl für die Erkrankung über die Entstehung, Symptome, Therapie und Pflege etc. reden. Durch das vorher erzeugte Gefühl steigt meist das Interesse und durch die körperliche Betätigung ist die kognitive Aufnahmefähigkeit auch besser. Im besten Fall kombinieren wir dies mit der Pflege von Menschen mit Lungenfibrose oder einer anderen Lungenerkrankung. Dabei können sich die Auszubildenden auch mit den Pflegeempfängerinnen / Pflegeempfängern über deren Erfahrungswelt austauschen.

Geräte zum Atemtraining

Zum Schluss können wir Geräte zum Atem-Trainieren ausprobieren, zum einen damit die Auszubildenden ein Gefühl dafür bekommen, wie viel Kraft es braucht, um diese zu benutzen. Und zum anderen, weil sie sie dann in der Regel auch besser ihren Pflegeempfängerinnen / Pflegeempfängern erklären können und Unterschiede kennen lernen. Weiterhin besteht auch die Möglichkeit, dass Varianten der O₂-Applikation gemeinsam ausprobiert werden. Immer nur mit 21 % FiO₂!!! Wenn wir auf einer Intensivstation oder Intermediate Care sind, besteht sogar die Möglichkeit, ein richtiges Beatmungsgerät auszuprobieren, mit einem High-Flow oder sogar einer nicht-invasiven Beatmungsmaske. Dadurch können die Auszubildenden zum einen an sich selbst merken, wie Therapieverfahren im Krankenhaus sich anfühlen und dabei zusätzlich die unterschiedlichen Beatmungsparameter kennenlernen.

Diese Ansätze können grundsätzlich auch für Menschen mit anderen Lungenerkrankungen genutzt werden.

Pflegebasics: Lungenfibrose in der praktischen Anleitung
Die Autoren

Florian Schüler und Benedikt Schneider
Florian Schüler und Benedikt Schneider sind Gesundheits- und Krankenpfleger und betreiben die Pflegelernplattform Visionpflege. Darauf aufbauend haben sie die Bücher Praxisbegleiter Pflegewissen – Handbuch für die praktische Pflege und Praxisbegleiter Krankheitslehre – für die Pflege geschrieben. Mehr Infos zu den Autoren und ihren Projekten gibt es unter www.visionpflege.com und „Visionpflege“ auf Instagram.

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